Arbeiten auf Papier
Die Ruinen am Baltischen Meer
Acht Radierungen und Poem auf handgeschöpftem Bütten zu einem Gedicht von Pablo Neruda über die Zerstörung der Stadt Gdańsk 1950
1974
Text handgesetzt, signiert
35 x 49 cm
Las ruinas en el Bàltico. Die Ruinen am Baltischen Meer.
- addDie Ruinen am baltischen Meer
PABLO NERUDA 1950
Gdansk, kugeldurchbohrt vom Krieg,
irrzerfetzte Rose,
zwischen deinem Meeresruch
und dem hohen fahlen Himmel
ging ich inmitten deiner Ruinen einher,
ein Gespenst unter Gespenstern,
zwischen Trümmern von orangenem Silber.
Eindrangen die Nebel mit mir,
die eisigen Schwaden,
und umherschweifend
entwirrte die Straßen ich,
die häuserlosen, menschenlosen.
Ich kenne den Krieg
und dieses Antlitz augen- und lippenleer,
diese gestorbenen Fenster,
ich kenne sie,
sah sie in Madrid, in Berlin, in Warschau,
doch dieses gotische Schiff
mit seiner roten Ziegelasche
am Meer, an der Pforte
der alten Fahrten -
merkantiles Antlitz am Bug,
grüner Kutter der eisigen Meere -
mit seinen herzzerreißenden Wunden,
seinen Mauerstümpfen,
seinem vernichteten Stolz,
sie drangen in meine Seele
wie Schneeböen, Staub und Rauch, wie etwas,
das erblinden macht und verzweifeln.
Das Haus der Gilden,
mit seinen gestürzten Emblemen,
die Banken, in denen das Gold
in Europas Kehle fiel, klirrend,
die roten steinernen Uferdämme,
wo ein Strom
von Getreiden
gleich einer Erdenwoge
des Sommers Duft herübertrug,
alles war Staub, Berge
zerstörter Materie,
und der Wind des eisernen Baltischen Meeres
wehte in die Leere.
- addDen Frieden bauen
PABLO NERUDA 1950
Doch dort war auch
Das Leben.
An anderen Orten, zu anderer Zeit
meines Daseins wartete der Tod
auf mich an den Straßenecken.
Hier wartete das Leben.
In Gdanks sah ich das Leben
neu sich bevölkern.
Mit Lippen von Stahl
liebkosten mich Motoren.
Das Wasser bebte.
Aus Meer-Eisen, gewaltig
gleich Burgen über dem Fluß
sah ich die neuerstandenen Kräne.
Ich sah die wildverzahnte Wirrnis
zerbombten Stahls,
zerklüfteten Eisens
stetig aus sich
die Krankgestalt gebären,
sah aus dem Todesabgrund
die blaue Majestät der Schiffswerft steigen.
Mit meinen Augen sah ich
die Auferstehung
der Docks im Wellentau, der Schiffe Bug, geschmückt,
geschäftigtes Gewühl
von Menschen, die dem Grab entrissen waren.
So sah ich, wie ein Hafen wuchs,
doch nicht aus Wasserflut
und blankgespülter Erde,
sondern aus des Unterganges Rachen.
Und ich sah dich, Taube, titanengleich,
meerfarben, weiß und blau,
wie du dich hobst
und aufstiegst unverwandt
aus der Zerstörung Krallen
und aus der blutgetränkten Ödnis
des Windes und der Asche!
Die Sonne und die Zeit
Die Texte sind dem gleichnamigen Oratorium von Mikis Theodorakis entnommen. Er schrieb sie im Gefängnis. Nach seiner Freilassung wurde das Oratorium in Paris uraufgeführt.
Die deutsche Übertragung der französischen Texte stammt von Sabine Hoffmann.
1977
Farbzeichnungen, Aquarelle und Feder
Je Doppelseite 32 x 47 cm
Mikis Theodorakis - Die Sonne und die Zeit
Passio Poloniae
Die ursprünglich 24-teilige Litografie-Folge PASSIO POLONIAE gehört zu den frühesten druckgrafischen Arbeiten der Künstlerin, entstanden 1971/72. In diesem Werk verarbeitet Sabine Hoffmann die Erinnerung und das Wissen um die grauenvollen Ereignisse im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig.
Der leidende und geschundene Mensch – das ist ihr Thema.
„Ich kann nichts Schönes malen!" - Mit dieser Grundhaltung ist Sabine Hoffmann auch an die „Passio Poloniae" herangegangen. Mit diesem Werk möchte sie als Künstlerin und als Mensch ein Stück Schuld abtragen und den Betrachter zur Stellungnahme herausfordern: ihre Kunst soll die Empfindung für das Leiden schärfen, die „Reserviertheit des Menschen gegenüber der Notlage des Mitmenschen aufbrechen und beseitigen helfen. Sabine Hoffmann spricht in diesem Zusammenhang von der "Panzerung" des Menschen. Das ist der Verfemte: ein einsamer Mensch – die dunkle Menge hat sich abgekehrt von ihm. Er ist von Hartherzigkeit umgeben, Verstocktheit und Unverständnis schlagen ihm ins Gesicht.
Das Gesamtwerk PASSIO POLONIAE wurde im Muzeum Stutthof 1972 ausgestellt.
1971
PASSIO POLONIAE 1939-1945
Ein Lithografie-Zyklus über das Leiden Polens
(24 teilig)
je 49 x 65 cm
„Ich kann nichts Schönes malen!“
Das Gesamtwerk PASSIO POLONIAE wurde im Muzeum Stutthof 1972 ausgestellt.
„Bei jedem Schritt das Wissen, du trittst auf Knochenreste, gehst in Menschenasche. Es ist heiß und trocken, der Himmel ausgezehrt von Sonnenglast. Eigentlich müßte der Kiefernwald duften, der sich in all den Jahren einen Teil des Lagerareals zurückgeholt hat, aber es riecht nur branstig." Schreibt Sabine Hoffmann als sie 1972 am Ort des Verbrechens ihre Arbeit PASSIO POLONIAE ausstellt.
Sabine Hoffmann
Projekt STEIN-KAMMERN
Da die Menschen unsere Erde weiterhin schamlos ausbeuten und vernutzen, muss man nun wohl schon Sorge tragen, dass die Vielfalt der Gesteine, die unseren Globus ausmachen, dem Gedächtnis erhalten bleibt. Es sollen unterirdische Steinkammern - Schatzkammern ähnlich - geschaffen werden, in denen die für das jeweilige Land charakteristischen Gesteine als Muster aufbewahrt, gehütet und den Betrachtern zugänglich gemacht werden.
Es kann sich um natürliche Höhlen oder um architektonisch geschaffene Räume handeln. Die einzelnen Bildobjekte stellen Entwürfe für solche Räume dar, in denen die von mir an meinen Wegen und auf Reisen aufgesammelten Gesteinsmuster in einer ihrer würdigen Weise installiert werden. Die Objekte der großen Stein-Kammern werden in unregelmäßiger Anordnung von der Raumdecke herunter gehängt, die Seile werden am Boden um die Steine geschlungen, gleichsam als Verankerung. Zum Betrachten der Objekte müssen wir aufmerksam durch dieses „Labyrinth“ gehen, wobei wir auf manchen der Blattrückseiten die Spuren der Einarbeitung der Gesteinsproben erkennen können.
Mit Steinstückchen, die die Künstlerin stets von ihren Reisen heimbringt, wurden in 26 zeichnerischen Arbeiten Varianten für diese Stein-Kammern durchgespielt.
1995
auf handgeschöpftem englischen Renaissance-Karton
je 56 x 76 cm
Projekt STEIN-KAMMER
„Wir warten auf einen Augenblick der Wahrheit, und es entrinnt uns die Ewigkeit"
Das Werk ist der tschechischen Lyrikerin Renata Pandula gewidmet.
2002/22
4 Blätter
Collage, Gouache
Fotokopien einer Totenmaske, überarbeitet
Sibirische Reißkohle, auf Ingrespapier und Zerkallbütten
je 76 x 56 cm
„Wir warten auf einen Augenblick der Wahrheit, und es entrinnt uns die Ewigkeit"
Ein letztes Hemd
Copalkreide, Gouache, Leuchtfarbe auf handgeschöpftem französischen Bütten
76 x 57 cm
2011
Folge Zwie
Collage auf handgeschöpftem de-Wint-Bütten
2004
„Unser Blick auf die Welt kann klar, direkt, aber auch zwiespältig, getrübt, verwirrt sein. Die Art der Wahrnehmung wird visualisiert durch Händepaare mit Augen, die auf verschiedene Weise übereinander geschoben sind. Die Verwendung reflektierender Folie bewirkt eine gewisse Irritation beim Betrachter, denn er muss sich vor dem Bild bewegen, um den richtigen Blickpunkt zu finden."
Sabine Hoffmann