Arbeiten in der Natur
„Das sind Augenblicke, aus denen Stunden, dann - ohne Übergang - Jahre werden. Auch wenn das Kunstobjekt, angelegt auf Vergänglichkeit, verflogen und vergangen ist: das Auge der Kamera bewahrt es in seiner Momenthaftigkeit. Das sind Abenteuer, für die es andere Zeugen meist nicht gibt. Ich muss allein sein mit dem Licht, der Tageszeit, dem Meer, den Elementen an einer Stätte, die mich anzieht - oder auch bedroht. So finde ich die Orte, die von mir bezeichnet werden. Mit Farben der Geschichte. Mit feierlichem Purpur für die tausendjährige Stadt, mit dem Blau, das für Hoffnung, für Freiheit steht, mit dem rätselhaften Weiß, das Fragen zulässt und doch nicht alle beantwortet. Ephemeres Ergebnis eines aufs äußerste konzentrierten Tuns, das nicht nummeriert und nirgendwo verzeichnet ist. Doch wird der ausgewählte Ort eine Zeitlang für unseren Blick verwandelt."
Sabine Hoffmann: Arbeiten unter dem Licht
Projekt Farben der Geschichte - Colours of History. Gdansk/Danzig
Die Arbeit entstand aus Anlass der Feierlichkeiten zum tausendjährigen Stadtjubiläum. Fußabdrücke vom unteren Rand in die Höhe visualisieren den Weg des Menschen. Zweimal wird er konterkarriert: durch den Deutschritterorden im 14.Jahrhundert - Zeichen dafür sind die spitzen Eisenschuhe - und während der Einverleibung Ostpolens durch die Preußen bei der zweiten Teilung Polens. Nach glanzvollen Jahrhunderten unter dem Schutz der polnischen Krone wurde aus Danzig eine Provinzstadt. Die Zeit des Wiederaufbaus und des Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg wird durch die blaue Fahne der Hoffnung visualisiert.
Abgelegten Kleidern haftet Persönliches noch an, wenn die Körper, die einst umhüllten, längst vergangen sind, als Farben der Geschichte erhellen sie die Gegenwart, tragen sie Licht ins Dunkel der Vergangenheit. So wie der Weg im Gehen, im Voranschreiten entsteht, will die Künstlerin mit und in ihren Arbeiten einen gangbaren Weg weisen, Kunst gleich dem Rhythmus des Lebens im Wandel des Kommens und Gehens wahrzunehmen, im Beständigen Vergängliches aufzuspüren und zu achten.
Dass Hemd ist dem Menschen das nächste Kleidungsstück, es umhüllt und schützt seinen Körper. Hemden tragen Spuren seines Lebenslaufs, sie visualisieren auch die Geschichte eines Landes, eines Ortes. Billige T-Shirts sind ein demokratisches Kleidungsstück, alle Menschen auf der Erde können es sich leisten. Weiße T-Shirt jeglicher Art dienen als Ausgangsmaterial für die überlebensgroßen Objekte. Durch Anstücken wächst das Hemd, gestückt wie das Menschenleben, das auch nicht aus einem Guss ist - ebenso wie die Geschichte eines Landes. Die künstlerische Gestaltung ergibt sich aus der Beschäftigung mit den Gegebenheiten des betreffenden Ortes, sie wird oft erst am Installationsort ergänzt, wenn möglich in Zusammenarbeit mit dortigen Menschen.
Meist verbleiben die Hemden am Ort und es bleibt die fotografische Dokumentation.
Zehn Stationen eines Sommers
In der Freiraum-Installation Zehn Stationen eines Sommers, deren Abbildung kein fotografischer Trick zugrunde liegt, scheinen verflachende Gewänder, deren Gewebe vom Licht durchdrungen ist, im Moment der Schwerelosigkeit zu verharren - gebunden frei zugleich. Freischwebend installiert an insgesamt zehn Stellen der französischen Mittelmeerküste bei Bandol. Von den hemdähnlichen Objekten ist eines über das Meer hinausgeflogen.
Sabine Hoffmann:
„weite / unbezahlbar / nicht zu gewinnen / körper / von tag zu tag / um eine schuppe leichter / zuletzt bleibt / was im blau verschwindet / gefolgt von den kieselsteinen / der ortbestimmung"
Torso-Objekte aus Gaze/Dispersionsfarbe mit Positionssteinen vom Ort der Arbeit, installiert an zehn Stellen der Mittelmeerküste bei Bandol.
Größe je 60 x 42 cm
1993
Objekte aus der Installation "Zehn Stationen eines Sommers"
Vogelfriedhof II
Die zwölf Vogelgräber wurden installiert in einem Bauerwartungsgebiet in Stuttgart, nachdem dort die Bäume gefällt worden waren.
Asphaltlack auf Dachpfannen, Bleischildchen mit den lateinischen Namen aussterbender Vogelarten.
25 x 18 x 3 cm
2005
Vogelfriedhof II
Projekt TERRA AMATA
In situ hinterlassene Spuren der TERRA-AMATA-Zyklen verwehen oder fallen der Witterung anheim. Das Aufspüren des Unbeachteten inmitten der Alltäglichkeit oder des nicht mehr Beachteten in abseitiger Stille ist ebenso maßgebend, wie die Suche nach Orten, an denen Verwandlung sich anbietet, an denen die Künstlerin Geschehnisse von einem anderen Ort, aus einer anderen Zeit darbieten kann, um zur Einkehr, Besinnung, Versöhnung einzuladen.
Im Sommer 1991 stieß die Künstlerin in Nizza durch Zufall auf ein kleines Museum im Untergeschoss eines banalen Mietshauses der Nachkriegszeit, das mit Teilen vorgeschichtlicher Grotten im Mont Boron über dem griechischen Hafen Lympia verbunden ist. In diesen Grotten hat man die frühesten Beweise für menschliche Existenz in Europa gefunden und ausgestellt. An just dieser Stätte mit dem suggestiven Namen - das Stadtviertel heißt auch heute noch TERRA AMATA - konnte man eine Besiedlung seit ca. 30 000 Jahren, lückenlos bis auf den heutigen Tag, nachweisen.
Der Zufall wollte es, dass die Künstlerin bereits vor dieser Reise in Stuttgart eine Installation in einer Baugrube gemacht hatte, der sie den Namen TERRA AMATA gab: wie bei Ausgrabungen hatte sie verschiedene Erden sowie Marmorstaub in Quadrate gefasst und in ihnen Hand- und Fußspuren und die Abdrücke ihrer Bildhauerwerkzeuge hinterlassen.
Seither gab die Beschäftigung mit dem langen Weg der menschlichen Herkunft von der Dämmerung der Vorgeschichte bis heute - und hoffentlich - noch in ferne Zukunft immer wieder Anlass zu Arbeiten unter diesem Titel. Immer haben sie mit der Erde zu tun, sei es, dass sie unmittelbar auf oder in der Erdoberfläche stattfinden, sei es, dass Steine oder Sand in Objekten verarbeitet wurden oder dass Werke entstanden, die verbale Stellungnahmen zu unserem gefährdeten und geliebten Planeten beinhalten bzw. umsetzen.
Eine Versammlung abgewandter Männer
In tiefroter Farbe, dem carput mortuum, sind 21 Männerrückenakte auf lose gespannte Leinwandrückseiten gemalt. In selbstherrlichen Posen verharren die aufs Flächige der Leinwandrückseiten gebannten Männerakte. Aller Statussymbole beraubt, verkörpern sie, in der Passage zur Stuttgarter Staatsgalerie aufgestellt, die Unbeholfenheit und Indifferenz männlicher Selbstherrlichkeit im öffentlichen Leben, das den Frauen gleichberechtigte Teilhabe erschwert.
Installation in der Passage zwischen Staatsgalerie und Urbanstraße in Stuttgart
Öl auf Leinwand bis zu 200 cm
1992